...schneidet man ab, wenn man etwas neues beginnt. Sagt man. Und kann man auch machen. Und wenn es aus freien Stücken passiert und man selber spürt, dass die Zeit gekommen ist, dann tut es auch nicht weh. Eher im Gegenteil, es wirkt so unfassbar befreiend. Mit diesen "alten Zöpfen" müssen nicht zwangsläufig die Haare gemeint sein, man kann auch andere Dinge hinter sich lassen oder auch bewusst einen Schnitt machen. Diese Schnitte passierten im letzten Jahr meines Lebens sehr oft. Sogar so häufig, dass man nicht nur vom Zurücklassen alter Gewohnheiten und Lebensweisen sprechen kann, sondern von Transformation. Es ändert sich so immens viel, wenn man auf die Suche nach seinem innersten Selbst geht und tatsächlich etwas findet! Wenn man bereit ist, Zeit mit sich selbst zu verbringen, seiner inneren Stimme zuzuhören und mit ihr in Interaktion geht. Denn diese Stimme hat 'ne Menge zu erzählen! Nicht nur Gutes, mach dich auf was gefasst! Aber in der Retrospektive ist alles gut, alles! Denn alles bringt dich voran, ganz oft besonders die unschönen Dinge im Leben. Denn nur daraus lernen wir. Wenn alles sauber läuft, gibt es keine Lernmotivation, keine Lernphase, geschweige denn Lernerfolg. Und diese Stimme, die uns auch immer mal wieder dazu rät, "alte Zöpfe" abzuschneiden, weiß so gut wie niemand anderes auf dieser Welt, wo es für dich hingehen soll. Lass dich leiten, hab Vertrauen. Ich habe diese Stimme bereits vor etlichen Jahren entdeckt, ihr aber erst seit etwa einem Jahr so wirklich aufmerksam Gehör geschenkt. Spät ist besser als nie und ein zu spät gibt es nicht, denn der richtige Zeitpunkt ist genau jetzt (falls es nicht eh bereits geschehen ist)! Auch ich habe mich in letzter Zeit leiten, mich dahin führen lassen wo es oft weh tut, aber wo die Heilung verborgen liegt. Und so kam es, dass ich gestern meinen beiden Töchtern die Schere in die Hand drückte und sie meine "alten Zöpfe" abschneiden durften. Diese Haare wachsen und begleiten mich inzwischen seit über zehn Jahren. Sie waren dabei, als ich gelacht und mich gefreut habe, als ich meine Töchter zeugte und half sie zu gebären, sie waren dabei, als ich Konzerte sah, hörte und selber spielte, sie waren mit mir auf Reisen und sie waren mit mir daheim. Sie waren aber auch dabei, als ich weinte, als meine Frau sich von mir trennte, als ich auf unschöne Weise meinen Job verlor, als ich mich stritt und als ich im Sturm, Gewitter und im strömenden Regen stand. Erinnerungen halt. Aber sie sind nicht in den Zöpfen, sondern im Herzen. Und es gibt für alles eine Zeit, auch für Trennung - oder nennen wir es etwas schöner; Neubeginn. Und ich habe fast täglich das Gefühl von Neubeginn, davon, dass ich weiter muss, dass ich noch lange nicht fertig bin hier. Und dann dürfen störende Anhängsel weichen, dann ist die Zeit gekommen. Und dann fühlt es sich frei an, dann dürfen "alte Zöpfe" Platz machen für frischen Wind um den Kopf...
[13.09.2022]