Machst du das auch? Aufgaben auf später, auf morgen, auf irgendwann verschieben? Und geht's dir auch so gut damit? "Was du heute kannst besorgen..." blabla! Dieser Spruch hat mich seit frühester Kindheit nur genervt. Ich habe mich in meinem Leben bereits sehr früh darauf fokussiert, das Jetzt zu erkennen. Das Hier zu genießen. Das Sein zu leben. Und die zwanghafte Erledigung trivialer Augaben beeinträchtigt, hindert mich, lässt mich den Moment vergessen. Das möchte ich aber nicht, ich mag den Moment. Ich sehe es ein, dass die Erfüllung von Aufgaben definitiv zum Leben gehört, aber ich muss den rechten Augenblick abpassen. Und nur weil die Spülmaschine gerade jetzt piepst, heißt das nicht, dass ich sie auch gerade jetzt ausräumen muss. Irgendwann sicherlich, aber genau jetzt hab ich anderes zu tun.
Mein Leben soll selbst- und nicht fremdbestimmt sein, ich nehme wenig bis gar keine Befehle entgegen. Und von einer Spülmaschine oder ähnlichem lasse ich mir bestimmt nicht sagen, was ich wann zu tun hab! Apropos "wann"; habt ihr euch schon mal bewusst gemacht, was so eine Uhr in eurem Leben bewirkt? Sie gibt Orientierung, zweifellos. Und ganz ohne würde ich auch nicht leben können. Wollen schon, aber in dieser, unserer Zeit ist das einfach nicht realisierbar... Jedoch gibt es Momente, in denen man tatsächlich die Zeit, vor allem aber die Uhr mal vergessen kann. Und solche Momente habe ich Einzug in mein Leben halten lassen. Immer mal wieder, zwischendurch. Einfach (nichts) machen, ohne Druck.
Und auf diesem Wege hab ich jemanden kennen gelernt: mein Zukunfts-Ich. Der Kerl ist echt belastbar, trägt vieles mit, nimmt fast alles ohne zu hinterfragen an und erledigt Aufgaben ziemlich zuverlässig - wenn auch später. Bin ich nämlich gerade mitten im Moment, voll in der Beschäftigung (wie auch immer sie aussieht), dann übertrage ich das Ausräumen der piepsenden Spülmaschine ganz einfach auf ihn. Der sagt eigentlich immer "Jau, mach ich." Das hilft. Beim Im-Jetzt-und-hier-sein. Beim Lieben. Beim Genießen. Beim Erfahren. Beim Leben...
Gut, ich muss zugeben, dass mein Zukunfts-Ich, welches ja früher oder später zwangsläufig zum Gegenwarts-Ich werden wird, manchmal etwas sauer auf den dann zum Vergangenheits-Ich gewordenen Kerl ist, der seine Aufgaben nicht einfach schon längst erledigt hat - aber wie gesagt, er ist zuverlässig. Denn das zum Gegenwarts-Ich gewordene, ehemalige Zukunfts-Ich wird auf jeden Fall die Spülmaschine ausräumen. Spätestens wenn etwas daraus gebraucht wird, oder sich bereits neues, dreckiges Geschirr stapelt.
Er kann allerdings auch ziemlich ungehalten werden, wenn er mal wieder ausbaden muss, dass ich die Uhr dann doch ein weeenig zuuu lange ignoriert hab und der ein oder andere Termin dann doch eeetwas knapp wird. Aber da können wir uns meistens ganz gut arrangieren, er ist (vorsicht, Wortwitz) nicht nachtragend...
Und so habe ich gelernt, Projekte zu realisieren, die manchmal ziemlich, sogar zu groß erscheinen. Denn ich muss die Aufgaben ja nicht komplett vor mir her schieben und auf's Zukunfts-Ich abwälzen - nein, ich kann ihn um Hilfe bitten. Ich kann Aufgaben beginnen, sie aufteilen und das Zukunfts-Ich, bereits während das Gegenwarts-Ich mit der Erledigung begonnen hat, mit der Vorbereitung weiterführender Punkte dieser Aufgabe betrauen. So mache ich das zum Beispiel während ich lese. Immer wenn ich mir Wissen aneigne, tauchen Fragen auf - grundsätzlich. Weiterführende Gedanken, Ideen zu Handlungsweisen, Neugierde auf tiefergehende Behandlung einzelner Themenschwerpunkte, etc.
Da kommt mein Zukunfts-Ich ins Spiel. Manchmal wartet er regelrecht darauf, Aufgaben übertragen zu bekommen (ich muss zugeben, er ist manchmal ziemlich vergesslich, da müssen echt etliche Notizen her, aber er ist motiviert). Ja und er hilft mir. Beim Leben des Lebens, welches ich mir wünsche. Er kann nicht alles leisten, das ist mir klar, aber er nimmt einen gehörigen Druck von meinem Gegenwarts-Ich, welches schon meistens zu 100% damit beschäftigt ist, einfach nur zu leben - im Hier und Jetzt.
[11.08.2021]